Tage der Experimentellen Archäologie / Aubechies, Belgien

#1 von AndreaKoppel , 30.08.2017 22:03

Liebe Gentes,

ich möchte Euch berichten, wie es bei den Tagen der Experimentellen Archäologie in Aubechies / Belgien (26.-27.08.2017) war:

Veranstaltungsort Archäologiepark Aubechies:
Aubechies an der Grenze zu Nordfrankreich ist ein Archäologiepark, in dem mehrere römische Gebäude sowie eine römische Nekropole gefunden wurden. Die Bilder der Grabsteine sind Euch sicher bekannt, wenn Ihr sie seht. Die Originale sind auf mehrere Museen in Trier, Belgien und Frankreich verteilt. Man hat dort alles originalgetreu nachrekonstruiert und wieder aufgebaut - ähnlich wie in Carnuntum. Vom römischen Teil steht die Nekropole, ein vollständiger Tempel, das Verwaltungsgebäude sowie eine Villa. Seht selbst: http://www.archeosite.be/fr/home/ > Archéosite > Reconstitutions
Aubechies ist aufgrund der qualitativ hochwertigen Rekonstruktionen bei den Reenactmentgruppen in aller Munde und wird im selben Atemzug wie Carnuntum und die Villa Borg in Trier genannt.

Das Museum hat das Fest dort organisiert, mit römischem Schwerpunkt und hat sich unglaublich um das Wohl seiner Gruppen gekümmert. Es wurde dreimal täglich (!) frisches, extrem gut gekochtes Essen angeboten. Nach einem ohnehin schon recht reichlichen Frühstück folgten ein Mittags- und ein Abendbuffet, die Bankettausmaße punkto Auswahl und Qualität hatten. Als Darsteller ist man dreimal täglich nach dieser Ausspeisung zufrieden durch den Archäologiepark gerollt.... Regelmäßig kamen auch Organisatoren mit Riesenkisten Wasser vorbei und versorgten die Gruppen.

Meine Gastgeber:
Eingeladen war ich von der Gruppe LEGXXII AVE BAGACUM, einer französischen Römer-Gruppe, die ich anfangs nur von Facebook kannte und die ich in Trier persönlich kennen gelernt habe. Diese Gruppe möchte ich eben auch nach Carnuntum bringen, da sie schon auf den Fotos eine exzellente Darstellung vermittelt haben - siehe https://www.ave-bagacum.com/
In Wirklichkeit war ich noch beeindruckter, denn hier wird Geschichte GELEBT. Jede Alltäglichkeit wird mit römischen Dingen und historisch richtig verrichtet - beispielsweise das Waschen der Soldaten nach dem Kampf. Der Sklave - übrigens ein wirklich Passionierter mit unglaublicher Routine in den alltäglichen Abläufen des römischen Lebens - bringt eine Schüssel Wasser, Strigilis, Schwämme und Seife. Und die Legionäre beginnen sich mitten im Lager abzuschaben und zu reinigen. DAS ist echtes Reenactment, so wie ich mir das auch für uns wünschen würde.

Als Dame verlässt man das Lager nur in Begleitung von zwei Sklaven (einer Dame, ein Herr, die auch in Wirklichkeit ein Paar sind und in ihrer Gewandung aussehen wie eines der Porträts aus Pompeji - wirklich bewundernswert), die schützend voran gehen und den Weg frei machen, dabei auch die Ankunft der Damen ankündigen... Ich dachte, ich habe schon viel recherchiert und gelesen, aber das war top.

Sie haben auch eine äußerst sehenswerte Militärdarstellung des 1. Jahrhunderts mit einem Centurion, der darstellungsmäßig wirklich "alle Stückl'n spielt", wie wir das auf gut österreichisch sagen würden. Manches Mal dachte ich mir, dass wir da auch noch zumindest ein wenig Ideen- und Erfahrungsaustausch betreiben könnten und dass uns das nicht schaden würde...

Weiters wurde im Tempel eine sehr würdevolle Zeremonie vorgenommen, in deren Rahmen zu den Göttern gebetet, die Legionszeichen geweiht und Soldaten in neue Ränge ernannt und geehrt wurden. Wir Damen durften das nur aus dem Hintergrund beobachten. Ich war aber über die Kenntnis der lateinischen Gebete und das Zeremoniell mehr als geplättet.

Zusammengefasst:
1.200 km eine Strecke ohne sich danach ausschlafen zu können (da ich am Montag arbeiten mußte) ist richtig böse. Nächstes Mal nehme ich mir einige Tage Urlaub, auch um dort die Gegend in Belgien und Nordfrankreich zu erkunden. Römisches gibt es dort zu Hauf zu sehen.
ABER die strapaziöse Fahrt hat sich absolut ausgezahlt! Die Truppe ist nicht nur darstellerisch top, sondern auch menschlich! Die Leute sind super lieb, hilfsbereit bis zum Abwinken und herzlich. Ich wurde dort mit offenen Armen empfangen. Viele sprechen sogar Englisch - für die Nicht-Frankophonen unter Euch.
Es war mir ehrlich eine große Freude und Ehre, mit ihnen dabei sein zu dürfen. Eine wirklich schöne Erfahrung.

Mein Beitrag:
Für mich war es selbstverständlich, das Bestmögliche zum Gesamtauftritt beizusteuern. Deshalb kam ich mit Kosmetikstand und allem Drum & Dran angereist. Das war der Gruppe aber nicht so klar, die in ihrer Gastfreundschaft auch akzeptiert hätten, wäre ich nur schön ausgestattet bei den Damen gesessen. So aber arbeitete ich quasi mit und bereicherte den Auftritt der Gruppe. Das wurde unglaublich geschätzt und honoriert.
Der Höhepunkt war, als mich die Truppe wegen meiner Matronendarstellung inklusive Flavischer Welle (Frisur) bat, mit mir über den Festplatz marschieren zu dürfen! Ich bin noch nie in meinem Leben auf kurzem Weg so oft auf meine Darstellung angesprochen worden. Ob Darsteller, Gäste, Museumsmitarbeiter oder die Mitglieder der LEGXII, es wurde fachsimpelt, gefragt, diskutiert, fotografiert und bewundert. Oft wurde ich auch nach meiner Heimatgruppe gefragt, die ich gerne und stolz vorgestellt habe.

Meine Beiträge zum gemeinsamen Reenactment waren offensichtlich so gut, dass ich gleich für das nächste Fest verhaftet bin: das Römerfest in der römischen Grenzfestung Pohl (nahe Frankfurt / Main) am 16.-17.09. Diesmal sind das nur lächerliche 800 km - gegen meinen Weg nach Aubechies fast gar nix. Wenn mich jemand spontan begleiten möchte: jederzeit gerne, ich habe Plätze im Auto frei!

Die LEGXXII AVE BAGACUM würde sich sehr über eine Zusammenarbeit und einen Austausch mit uns Gentes freuen. Sie haben von mir schon sehr viel über unsere Darstellungen und Spezialisierungen gehört und sind sehr neugierig darauf, uns kennen zu lernen.
Dass ich nächstes Jahr wieder nach Aubechies "muss", steht schon fest. Das hat mir nicht nur die Gruppe, sondern auch das Museum unmißverständlich klar gemacht. :-D
Für uns bzw. für alle Interessierten, die gerne auch zu hochwertigen Festen im Ausland fahren, ist somit eine gute Basis in Aubechies gelegt. Da man mich dort jetzt kennt :-), wäre es kein Thema uns als Gruppe dort anzumelden. Die Türe steht offen. Ich werde nächstes Jahr auf jeden Fall wieder hinfahren. Und wer das ebenso gerne tun will, ist herzlich willkommen!

 
AndreaKoppel
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zuletzt bearbeitet 30.08.2017 | Top

   

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